BFG-Entscheidungen zur doppelten Ansässigkeit:

Mittelpunkt der Lebensinteressen

Im Jahr 2024 hat das Bundesfinanzgericht (BFG) einmal mehr in zwei Fällen über Behandlung von doppelter steuerlicher Ansässigkeit im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen entschieden. Bei der Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen wurde durch das BFG erneut bestätigt, dass den persönlichen Verhältnissen stärkeres Gewicht beigemessen wird als den wirtschaftlichen. 
 

Tie-Breaker-Rules: Klärung der Ansässigkeitsfrage

Begründet eine natürliche Person in mehreren Staaten einen Wohnsitz, kann dies häufig zur Annahme einer unbeschränkten Steuerpflicht in den jeweiligen Staaten führen. In weiterer Folge käme es diesfalls zu einer Doppelbesteuerung derselben Einkünfte. Um dies zu vermeiden, wird in der Regel das einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) – sofern ein solches mit dem jeweiligen Staat vereinbart wurde – herangezogen. 

Im Zuge der Anwendung des jeweiligen DBAs ist die Ansässigkeitsfrage zu klären. Hierfür wurden sogenannte Tie-Breaker-Rules definiert, die zur Klärung der Ansässigkeitsfrage insbesondere in jenen Fällen zur Anwendung kommen, in denen ansonsten unbeschränkte Steuerpflicht in 2 Staaten vorliegen würde. Die in der Praxis relevanteste Tie-Breaker-Rule ist die Bestimmung der steuerlichen Ansässigkeit anhand des Mittelpunkts der Lebensinteressen. Verfügt eine Person in beiden Vertragsstaaten über einen ständigen Wohnsitz, so gilt sie in jenem Staat als steuerlich ansässig, in dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. 
Die Zuteilung des Mittelpunkts der Lebensinteressen erfolgt anhand spezifischer Indizien, wie dem gewöhnlichen (physischen) Aufenthalt, der konkreten Wohnsituation in den jeweiligen Staaten, der familiären und beruflichen Lage sowie dem Umfang der sozialen Kontakte vor Ort. Das BFG hatte sich kürzlich in 2 Entscheidungen mit dieser Frage auseinanderzusetzen und hat einmal mehr die durch bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung vertretene Ansicht bestätigt, dass den persönlichen Verhältnissen ein stärkeres Gewicht als den wirtschaftlichen Verhältnissen beizumessen ist. Insbesondere auch bei Gleichwertigkeit der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist den persönlichen Aspekten Vorrang zu geben. 
 

Fallbeispiele der BFG-Entscheidungen: BFG 25.9.2024, RV/7101568/2018; BFG 24.5.2024, RV/7100717/2024

Im ersten Fall (BFG 24.5.2024, RV/7100717/2024) handelte es sich um eine Person, die berufsbedingt von Österreich in die Schweiz gezogen ist. Der Beschwerdeführer hat seine österreichische Wohnstätte nicht aufgegeben und bezog eine Ferienwohnung in der Schweiz. Laut eigenen Angaben hat dieser keine persönlichen Kontakte in der Schweiz aufgebaut. Seine Ehefrau lebt weiterhin in der österreichischen Wohnstätte. Das BFG ist anhand dieses Sachverhaltes zum Schluss gekommen, dass der Beschwerdeführer seine steuerliche Ansässigkeit in Österreich hat, da dieser engere persönliche Beziehungen in Österreich pflegt als in der Schweiz.

Im zweiten Fall, den das BFG zu entscheiden hatte (BFG 25.9.2024, RV/7101568/2018), hatte der Beschwerdeführer Wohnsitze sowohl in Österreich als auch in der Slowakei. Die Einkünfte, deren steuerliche Zuordnung in Frage stand, bezog dieser als Geschäftsführer von einer zypriotischen Gesellschaft. Anhand der konkreten Umstände hat das BFG herausgearbeitet, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers in Österreich lag. Neben wirtschaftlichen Gegebenheiten sprachen insbesondere auch die persönlichen Umstände dafür. Wiewohl der Beschwerdeführer angab, seit 2002 mit einer slowakischen Lebensgefährtin zusammen zu leben, hat dieser faktisch mit seiner Ehefrau und Tochter in Österreich gelebt und z.B. auch gemeinsame Urlaube verbracht. Erschwerend kam hinzu, dass der Beschwerdeführer der erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nicht nachkam, sodass das BFG die klare Ansässigkeit von diesem in Österreich feststellte.
 

Fazit

In den beschriebenen Fällen konnte der Mittelpunkt der Lebensinteressen relativ klar bestimmt werden. Es gibt allerdings Fälle, in denen sich diese Zuteilung deutlich komplexer gestalten kann. In diesem Fall ist es fraglich, wie und ob der:die Steuerpflichtige in einem Beschwerdeverfahren einen Gegenbeweis zur Einschätzung des Finanzamts erbringen kann. Anzuraten ist in solchen Fällen jedenfalls, (steuer-)rechtskundige Beratung einzuholen, um den Sachverhalt ggü. den Beschwerden schlagkräftig zu argumentieren und den Gegenbeweis anzutreten. 

 

Autorin: 

Franziska Bähre
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