Lohntransparenz in der EU

Lohntransparenz in der EU

Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass Lohndiskriminierung häufig aufgrund mangelnder Lohntransparenz unentdeckt bleibt. Geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung und Verzerrungen im Verdachtsfall sind daher schwer nachzuweisen. Selbst in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bleibt das geschlechterspezifische Lohngefälle auf einem hohen Niveau.
Die Ursachen dafür sind vielfältig, mangelnde Lohntransparenz wurde allerdings als eines der Haupthindernisse für die Überwindung des geschlechterspezifischen Lohngefälles ermittelt, das im Jahr 2020 in der EU nach wie vor bei durchschnittlich 13% lag. Equal Pay stellt gemäß der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) bereits ein Teilgebiet der Berichtspflicht für Unternehmen dar. Ein weiters Instrument um Lohntransparenz in Unternehmen zu fördern und dem geschlechterspezifischen Lohngefälle entgegenzuwirken, wurde mit der vom Europäischen Rat angenommenen EU Lohntransparenzrichtlinie 2023/970 vom 10.5.2023 geschaffen.

Die Gleichstellung der Geschlechter und das Recht auf gleiches Entgelt zählen zu den 20 Grundsätzen der Europäischen Säule sozialer Rechte. In ihrem Aktionsplan 2017-2019 zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles hat die EU-Kommission rechtliche Maßnahmen zur Verbesserung der Durchsetzung des gleichen Entgelts sowie zur Erhöhung der Lohntransparenz geprüft. Diese Evaluierungen sind zum Schluss gekommen, dass das Recht auf gleiches Entgelt in der Praxis nicht angemessen angewandt sowie durchgesetzt wird und es in vielen Mitgliedstaaten an Lohntransparenz mangelt. Es sind verbindliche Maßnahmen erforderlich, um die Entgelttransparenz zu verbessern. Unternehmen sollen ermutigt werden, ihre Vergütungsstrukturen zu überprüfen, um sicherzustellen, dass Frauen und Männer, die gleiche oder gleichwertige Arbeit leisten, das gleiche Entgelt erhalten. Gemeinsame Mindestanforderungen für alle Unternehmen und Organisationen in der gesamten Europäischen Union sollen nun durch die EU-Lohntransparenzrichtlinie umgesetzt werden:

Berichtspflicht
  • Entgelttransparenz im Bewerbungsprozess
    • Arbeitgeber:innen müssen über das Einstiegsgehalt oder die Entgeltspanne von ausgeschriebenen Positionen informieren.
    • Diese Informationen sind in einer Weise bereitzustellen, dass fundierte und transparente Verhandlungen über das Entgelt gewährleistet werden, wie beispielsweise in einer veröffentlichten Stellenausschreibung vor dem Vorstellungsgespräch.
    • Arbeitgeber:innen dürfen Stellenbewerber:innen nicht mehr nach ihrem aktuellen bzw. ihrer Entgeltentwicklung in früheren Beschäftigungsverhältnissen fragen.
  • Zudem müssen Arbeitgeber:innen sicherstellen, dass Stellenausschreibungen und Berufsbezeichnungen geschlechtsneutral formuliert sind und Einstellungsverfahren auf nichtdiskriminierende Weise geführt werden.
  • Auskunftsrecht im aufrechten Dienstverhältnis
    • Arbeitnehmer:innen haben das Recht auf Auskunft über die durchschnittlichen Entgelthöhen für die Gruppe von Arbeitnehmer:innen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten.
    • Arbeitgeber:innen müssen sämtliche Kriterien offenlegen, die zur Bestimmung des Entgelts und der Laufbahnentwicklung herangezogen werden können.
    • Arbeitgeber:innen müssen alle Arbeitnehmer:innen jährlich über ihr Recht auf Auskunft informieren.
Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmer:innen haben bis zum 7.6.2027 und in jedem darauffolgenden Jahr der zuständigen nationalen Behörde jährlich über das geschlechterspezifische Lohngefälle in ihrer Organisation Bericht zu erstatten. Für kleinere Unternehmen gilt die Berichtspflicht nur alle 3 Jahre und für Unternehmen unter 150 Mitarbeiter:innen beginnt die Berichtspflicht ab 7.6.2031 zu laufen. Unternehmen mit weniger als 100 Arbeitnehmer:innen unterliegen keiner Berichtspflicht.

Zugang zu Informationen
Auf der Grundlage der von Arbeitgeber:innen bereitgestellten Informationen haben Arbeitnehmer:innen und ihre Vertreter:innen, Aufsichtsbehörden und Gleichbehandlungsstellen das Recht von Arbeitgeber:innen Klarstellungen und Einzelheiten zu diesen Informationen, einschließlich Erläuterungen zu geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden zu verlangen. Ergibt sich aus der Berichterstattung ein Unterschied beim durchschnittlichen Entgelt in Höhe von mindestens 5% bei einer Gruppe von Arbeitnehmer:innen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten und ist der Unterschied nicht durch objektive und geschlechtsneutrale Faktoren gerechtfertigt, so sind betreffende Arbeitgeber:innen verpflichtet, eine Entgeltbewertung vorzunehmen.

Zugang zur Justiz

Arbeitnehmer:innen, die geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung erfahren haben, können gemäß der Richtlinie Schadenersatz erhalten. Dazu gehört die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundene Boni oder Sachleistungen. Während die Beweislast in Fällen von Lohndiskriminierung traditionell bei den Arbeitnehmer:innen liegt, sind nun die Arbeitgeber:innen in der Pflicht nachzuweisen, dass sie nicht gegen die EU-Vorschriften über gleiches Entgelt und Lohntransparenz verstoßen haben.
Knappe Verjährungsfristen gelten als primäre Hürden dafür, die Opfer von geschlechtsspezifischer Entgeltdiskriminierung davon abzuhalten, ihr Recht durchzusetzen. Die Richtlinie sieht vor, dass die Verjährungsfrist für die Klageerhebung 3 Jahre betragen muss und die Frist nicht anfängt, bevor der Verstoß endet und die klagende Partei Kenntnis von dem Verstoß oder der Verletzung erlangen hat. Des Weiteren wird die Verjährungsfrist gehemmt oder unterbrochen, sobald eine klagende Partei Klage erhebt. Ebenfalls werden die bestehenden Mindeststandards für Sanktionen gestärkt, indem die abschreckende Wirkung für rechtswidrig handelnde Arbeitgeber:innen gesteigert wird. Geeignete Sanktionen haben eine präventive Wirkung und regen Arbeitgeber:innen dazu an, proaktiv ihren Pflichten nachzukommen.

Das Recht von Frauen und Männern auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eines der Grundprinzipien der Europäischen Union. Durch Lohntransparenz sollen Arbeitnehmer:innen in die Lage versetzt werden, mögliche Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts aufzudecken und nachzuweisen. Sie legt geschlechterspezifische Verzerrungen in Vergütungssystemen und bei der beruflichen Einstufung offen. Da solche Verzerrungen oft nicht wahrgenommen werden, kann Lohntransparenz das Problembewusstsein bei den Arbeitgeber:innen schärfen und ihnen dabei helfen, diskriminierende geschlechterspezifische Lohnunterschiede, die nicht auf gerechtfertigten Entscheidungen beruhen, zu erkennen. Lohntransparenz ist somit ein wesentliches Instrument, um im Zweifelsfall Klarheit hinsichtlich des gleichen Entgelts für Männer und Frauen zu schaffen und die Beseitigung geschlechterspezifischer Verzerrungen in den Entgeltpraktiken zu unterstützen.

Vergleich nationaler Einkommensbericht in Österreich und EU-Lohntransparenzrichtlinie 

Um Einkommensunterschiede transparenter werden zu lassen, Motive und Hintergründe dafür zu analysieren und daraus Handlungsfelder abzuleiten, unterliegen Unternehmen - die dauernd mehr als 150 Arbeitnehmer:innen beschäftigen - auf nationaler Ebene gemäß § 11a Gleichbehandlungsgesetz dem Einkommensbericht. Durch die EU-Lohntransparenzrichtlinie wird es allerdings zu einigen Änderungen/Verschärfungen bezüglich des Einkommensberichts kommen.
Folgende Gegenüberstellung gibt Auskunft darüber, inwiefern sich die Anforderungen der EU-Lohntransparenzrichtline auf den geltenden Einkommensbericht in Österreich auswirken werden und mit welchen neuen Herausforderungen die Unternehmen konfrontiert sind:  
 

Einkommensbericht in Österreich

EU-Lohntransparenzrichtlinie

Gegenüberstellung

In Österreich hat derzeit nur die Gleichbehandlungsanwaltschaft besondere Auskunftsrechte über die Entlohnung von Vergleichspersonen.

Unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter:innen sieht die Richtlinie das individuelle Recht vor, schriftliche Informationen über ihr Lohnniveau und das nach Geschlecht aufgeschlüsselte durchschnittliche Lohnniveau von Arbeitnehmer:innen zu erhalten, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten.

Ein eigenständiger Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer:innen und der Arbeitnehmervertretungen, unabhängig von der Betriebsgröße, ist eine klare Verbesserung.

Eine Verpflichtung zum Erstellen eines Einkommensberichts obliegt zum jetzigen Zeitpunkt nur Arbeitgeber:innen, die dauernd mehr als 150 Arbeitnehmer:innen beschäftigen.

Die Umsetzungsfrist geschlechtsspezifische Lohninformationen zu melden, wird auf Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmer:innen ausgeweitet.

Die niedrige Schwelle von 100 Arbeitnehmer:innen für die Pflicht, einen Einkommensbericht zu legen, ist eine wichtige Neuerung, um bei möglichst vielen Unternehmen ein Bewusstsein für mögliche geschlechtsspezifische Differenzen bei Löhnen und Gehältern zu schaffen.

Ein Einkommensbericht muss nach aktueller österreichischer Rechtslage alle 2 Jahre vorgelegt, allerdings nicht veröffentlicht werden.

Arbeitgeber:innen mit 250 Arbeitnehmer:innen: Die Vorlage des Einkommensberichts hat jedes Jahr zu erfolgen. *
Arbeitgeber:innen mit 150 bis 249 Arbeitnehmer:innen: Die Vorlage des Einkommensberichts hat alle 3 Jahre zu erfolgen.*
Arbeitgeber:innen mit 100 bis 149 Arbeitnehmer:innen: Die Vorlage des Einkommensberichts hat alle 3 Jahre zu erfolgen. *
Arbeitgeber:innen mit weniger als 100 Arbeitnehmer:innen: Die Vorlage des Einkommensberichts kann freiwillig erfolgen.*

Die Berichte nach dem EU-Recht müssen nur alle 3 Jahre erstattet werden, jedoch gilt, dass aufgrund des in der Richtlinie vorgesehenen Verschlechterungsverbots die Berichtspflicht alle 2 Jahre beibehalten werden muss.

 

Wird im Bericht ein Lohngefälle von mehr als 5% festgestellt, dass nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt werden kann, müssen die Unternehmen Maßnahmen in Form einer gemeinsamen Entgeltbewertung ergreifen, die in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertreter:innen durchgeführt wird.

Aus der Perspektive der Entgeltdiskriminierung ist diese neue Regelung entscheidend.

 

Während die Beweislast in Fällen von Lohndiskriminierung traditionell bei Arbeitnehmer:innen liegt, sind nun Arbeitgeber:innen in der Pflicht, nachzuweisen, dass sie nicht gegen die EU-Vorschriften über gleiches Entgelt und Lohntransparenz verstoßen haben.

 

Verjährungsfrist von 3 Jahren

Die Verjährungsfrist von 3 Jahren beginnt erst zu laufen, wenn Arbeitnehmer:innen von der Verletzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen Kenntnis erlangt hat oder erlangen hätte müssen.

Die Hemmschwelle, im aufrechten Arbeitsverhältnis gegen die Arbeitgeber:innen vorzugehen, ist oft so hoch, dass viele Arbeitnehmer:innen erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses klagen. Dadurch kommt es aufgrund der derzeit geltenden Verjährungsfrist von 3 Jahren oft zu erheblichen Anspruchsverlusten. Diese Anpassung ist nicht nur positiv für die individuellen Ansprüche der Arbeitnehmer:innen, sondern kann auch gegen Entgeltdiskriminierung wirken.

*Arbeitgeber:innen mit 250 oder mehr Arbeitnehmer:innen haben innerhalb von 4 Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der EU-Lohntransparenzrichtline diese umzusetzen und in jedem darauffolgenden Jahr die Informationen gemäß Artikel 9 Abs. 1 in Bezug auf das vorangehende Kalenderjahr vorzulegen.
* Arbeitgeber:innen mit 150 bis 249 Arbeitnehmer:innen haben innerhalb von 4 Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der EU-Lohntransparenzrichtlinie diese umzusetzen und danach alle 3 Jahre die Informationen gemäß Artikel 9 Abs. 1 in Bezug auf das vorangehende Kalenderjahr vorzulegen.
* Arbeitgeber:innen mit 100 bis 149 Arbeitnehmer:innen haben innerhalb von 8 Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der EU-Lohntransparenzrichtlinie diese umzusetzen und danach alle 3 Jahre die Informationen gemäß Artikel 9 Abs.1 in Bezug auf das vorangehende Kalenderjahr vorzulegen.
* Die Mitgliedstaaten hindern Arbeitgeber:innen mit weniger als 100 Arbeitnehmer:innen nicht daran, die in Artikel 9 Abs.1 festgelegten Informationen auf freiwilliger Basis vorzulegen. Die Mitgliedstaaten können nach Maßgabe des nationalen Rechts von Arbeitgeber:innen mit weniger als 100 Arbeitnehmer:innen verlangen, Informationen über das Entgelt vorzulegen.

 

Welche Schritte sollten Sie nun setzen?

Arbeitgeber:innen haben sich zu überlegen, ob ihre derzeitigen Vergütungsschemata den Anforderungen der EU-Lohntransparenzrichtlinie entsprechen und wo es gegebenenfalls Aufholbedarf gibt: Die EU-Lohntransparenzrichtlinie sollte für Unternehmen einen Anreiz bieten, ihre Unternehmensprozesse zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren. Vergütungs- und Beförderungsleitlinien sollten hinterfragt und das geschlechterspezifische Lohngefälle (Gender Pay Gap) bewertet werden. Die unternehmensinternen HR-Prozesse sollten auf den neusten Stand gebracht und Lohntransparenz in die Nachhaltigkeitsstrategie der Unternehmen aufgenommen werden.
Aufgrund der EU-Lohntransparenzrichtlinie wird es zu einem Wandel kommen, der viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellen wird. Frühzeitig Defizite im Unternehmen anzuerkennen und geeignete Schritte zu setzen, kann dabei helfen, sich als attraktive und innovative Arbeitgeber:innen zu präsentieren. Durch Transparenz kann das Vertrauen der Mitarbeiter:innen in das Unternehmen gestärkt werden, was die Mitarbeiter:innenbindung erhöht und den Unternehmenserfolg steigert.

 

Autorin: Sabrina Hopf
sabrina.hopf@bdo.at
+43 5 70 375 - 1587

 

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