IPCEI Alert für Österreich

„Circular Advanced Materials“. Mit diesem neu vorgeschlagenen Fokus des europäischen Förderinstruments IPCEI könnte sich die Möglichkeit eröffnen, bahnbrechende Projekte in den Bereichen Materialinnovation, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft umzusetzen und damit die strategische Resilienz und Innovationskraft der europäischen Wirtschaft zu stärken. Nachsatz: Der Vorschlag wird nur verfolgt, sollte genügend Interesse vorhanden sein; ansonsten geht dieser nicht in die Umsetzung. Mehr dazu später in diesem Artikel.

IPCEI steht für „Important Project of Common European Interest“ und offenbart damit schon im Titel seinen zentralen Wirkungsbereich: am Puls der (welt-)politischen Entwicklungen. In Zeiten, in denen einzig der Wandel beständig ist, zielt das Programm auf die Realisierung einer modernen europäischen Industriepolitik ab. Es geht darum, Marktversagen zu beheben und globalen Herausforderungen proaktiv zu begegnen. IPCEIs setzen genau dort an, wo Unternehmen und Forschungseinrichtungen der EU-Mitgliedsstaaten die bedeutendsten Veränderungen und Dynamiken auf internationalen Märkten erkennen – und wo sich zugleich die größten Chancen bieten, die Zukunft durch strategisches Handeln und den gezielten Einsatz vereinter Ressourcen zu verbessern. 

Im Fokus eines IPCEI steht der Scale-up grenzüberschreitender Projektideen, sowohl geografisch als auch thematisch - immer mit dem Ziel, weitreichende Marktwirksamkeit zu erreichen. Unternehmen und Mitgliedsstaaten designen dabei gemeinsam wegweisende Forschungsprojekte mit bahnbrechender Innovationskraft (F&E), die den globalen Stand der Technik übertreffen. Es wird die erste industrielle Umsetzung (First Industrial Deployment - FID) von Entwicklungsprodukten ermöglicht, noch bevor eine breite Kommerzialisierung und Massenproduktion erfolgt. Darüber hinaus finden auch offene Infrastrukturprojekte mit EU-weitem Nutzen ihren Platz im Rahmen von IPCEI.
 

Warum IPCEI?

In IPCEI werden ambitionierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit hohem Risiko und großem Potenzial gefördert, die durch nationale Programme allein nicht abgedeckt werden können. Besonders risikoreiche und komplexe F&E-Vorhaben, die sich u.U. auf hochdynamische Sektoren konzentrieren, in denen der Markt rasche Kommerzialisierung erfordert, stoßen bei herkömmlichen Förderschienen nämlich häufig auf Schwierigkeiten: Zeithorizont und Projektdauer stimmen nicht überein, die Tragweite des Vorhabens kann nicht abgebildet werden oder der weite Sprung über mehrere Technologiereifegrade in einem einzigen Projekt stellen von vorneherein einen Ausschlussgrund dar. Genau hier setzen IPCEIs an und ermöglichen besonders großen Fortschritt in F&E-Initiativen, inklusive der Hochskalierung. In der komplexen globalen Wirtschaftslandschaft, in der heute agiert wird, haben Akteure mit strategischen, weltumspannenden Allianzen signifikante Wettbewerbsvorteile und können sich besser v.a. gegen außereuropäische Konkurrenz durchsetzen. Die Teilnahme an einem IPCEI schafft den Rahmen für die Kreierung eines kollaborativen Ökosystems, in dem Industrie, Forschung und öffentliche Einrichtungen an zentralen Zukunftsthemen arbeiten.
 

IPCEI Circular Advanced Materials: Ziele und Schwerpunkte

Das geplante IPCEI zielt auf eine nachhaltige und zirkuläre Materialwirtschaft ab, indem es folgende primäre und sekundäre Ziele verfolgt:

Primäre Ziele:
  1. Förderung der Zirkularität: Entwicklung von wiederverwendbaren, reparierbaren und recycelbaren Materialien
  2. Integration entlang der Wertschöpfungskette: Von der Beschaffung bis zum Recycling soll eine nahtlose Zusammenarbeit ermöglicht werden.
Sekundäre Ziele:
  • Reduktion europäischer Abhängigkeiten von kritischen Rohstoffen (CRMs) durch innovative Alternativen
  • Energieeffizienz in Produktions- und Recyclingprozessen zur Unterstützung der EU-Klimaziele
  • Datenkontinuität und Digitalisierung: Einsatz von KI zur Optimierung von Fertigungs- und Recyclingmethoden
  • Safe-and-Sustainable-by-Design: Förderung sicherer und nachhaltiger Materialentwicklungen
  • Skalierung nachhaltiger Materialien sowie die Lösung von Herausforderungen bei der Demontage, für effizientes Recycling und Wiederverwertung
  • Performance-Verbesserungen: Höhere Haltbarkeit und Effizienz in Schlüsselbranchen wie Energie, Mobilität und Elektronik

Wertschöpfungsketten und Anwendungsfelder

Die Struktur des vorgeschlagenen IPCEI Circular Advanced Materials umfasst 5 zentrale Wertschöpfungsketten:
  1. Nachhaltige Materialbeschaffung und -verarbeitung: Schwerpunkt auf Sekundärmaterialien und umweltfreundlichen Verfahren
  2. Ökodesign und Materialinnovation: lebenszyklusorientierte Entwicklung fortschrittlicher Materialien
  3. Zirkuläre Fertigungsprozesse: Ressourcenschonende Produktionsmethoden, einschließlich additiver Fertigung
  4. Materialrecycling, Rückgewinnung und End-of-Life-Management: Entwicklung innovativer Recyclingtechnologien für komplexe Materialien
  5. Optimierung der Nutzungsphase: Reparatur, Wiederverwendung und Lebensdauerverlängerung
Die Anwendungsfelder umfassen Energie, Mobilität und Elektronik, mit Beispielen wie Batterien, fortschrittlichen Werkstoffen für Windturbinen oder energieeffizienten Elektronikkomponenten.
 

Zielgruppen des IPCEI-Vorschlags

F&E-starke Unternehmen und Forschungseinrichtungen…

… mit F&E Aktivitäten in den Bereichen:
  • nachhaltige Materialbeschaffung und -verarbeitung
  • Modellierung, Simulation und digitale Integration
  • Recycling, Wiederverwendung und Optimierung der Zirkularität in der Fertigung inklusive Rückgewinnung und End-of-Life Management
  • Standardisierung und Harmonisierung

… mit Aktivitäten in der Phase einer ersten industriellen Anwendung (noch vor der Massenproduktion):
  • Pilotanlagen und Testeinrichtungen
  • Finanzierungsmechanismen für die Hochskalierung 

Enorme Möglichkeiten durch das IPCEI 

Im Rahmen des Joint European Forums for IPCEI (JEF) wird aktuell der Vorschlag für ein IPCEI Circular Advanced Materials ausgearbeitet. Eine Teilnahme Österreichs hängt vom Interesse sowie Potenzial seitens der Industrie ab. Aktuell wird dies mittels industrieübergreifenden Aufrufs evaluiert und ggf. die erste Phase der offiziellen Interessensbekundung durchgeführt. Für österreichische Akteure eröffnet sich demnach die Chance, vom Projektdesign weg eine zentrale Rolle einzunehmen und das nationale Innovationsökosystem zu stärken sowie Zugang zu EU-weiten Netzwerken und Märkten zu erhalten.

Besonders erwähnenswert ist, dass im Falle der Umsetzung eines neuen IPCEI zu Circular Advanced Materials das BMK eine Anpassung nationaler Förderprogramme plant und die Förderung von KMU sowie Forschungseinrichtungen im Zuge eines gesamtheitlichen Förderansatzes implementieren will. Details dazu befinden sich derzeit noch in Ausarbeitung.
 

Was sind die nächsten Schritte für Ihre Teilnahme am IPCEI-Programm?

Treiber hinter einem neuen IPCEI sind EU-Mitgliedsstaaten. Diese verfolgen momentan das Ziel, die wichtigsten Stakeholder:innen zur gemeinsamen Entwicklung dieses IPCEIs, Circular Advanced Materials, miteinzubinden. Das Feedback der österreichischen F&E-Landschaft wird direkt in den gemeinsamen Designprozess der Mitgliedsstaaten miteinbezogen.

Sie haben bis Ende November Zeit, Ihr Teilnahmeinteresse kundzutun. BDO Funding hat die Spezialexpertise bzgl. des IPCEI-Programms fest in den Kernkompetenzen verankert und bereits Unternehmen in diversen Phasen, von der Abwägungs- über die Antrags- bis hin zur Umsetzungsphase, erfolgreich begleitet. Kontaktieren Sie uns gerne für weiterführende Informationen zu allen Vor- und Nachteilen sowie wenn Sie Ihr Interesse an der Teilnahme offiziell an die zuständigen Behörden richten möchten.
 

Ihre Expertinnen für Förderungen


Nina Londer

Nina Londer

nina.londer@bdo.at
+43 5 70 375 - 1812